Frauen* verändern die Welt- 8. März- Internationaler Frauen*Kampftag
03.03.2020- Frankfurt
Veranstallterinnen: Amara Kurdischer Frauenrat Frankfurt & Wemen Denfend Rojava - Frankfurt
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Vom 27. bis 29. Dezember 2019 fand in Chiapas auf zapatistischem Gebiet das „Zweite Internationale Treffen der Frauen die kämpfen“ statt. Die Zapatisten kontrollieren im Bundesstaat Chiapas Gebiete, in denen sie sich vollständig autonom organisieren, keinerlei Interventionen des Staates akzeptieren, d.h. Verwaltung, Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Justiz, Produktion, etc. sind in eigener Hand. Und seit einiger Zeit werden auch von NGOs initiierte und kontrollierte Projekte nicht mehr zugelassen.
Aufgerufen zum Treffen haben die zapatistischen Frauen. Das „Erste Internationale Treffen der Frauen die Kämpfen“ hatte im März 2018 stattgefunden mit 8000 Teilnehmerinnen aus 39 Ländern. Das Folgetreffen, das eigentlich für März 2019 geplant war, wurde kurz vorher abgesagt, weil die politische Situation und die Sicherheitslage ein solches Ereignis nicht erlaubten.
Im Dezember konnte das Treffen dann doch stattfinden. An 3 Tagen, vom 27. bis 29. Dezember 2019, waren alle Frauen die kämpfen, weltweit aufgerufen nach Chiapas in zapatistisches Gebiet zu kommen. Das Thema des Treffens war „Gewalt gegen Frauen“ und was dagegen zu unternehmen ist. Ein Tag sollte also den Anklagen gewidmet sein und ein Tag den Diskussionen wie man der Gewalt begegnen kann.
In dem Aufruf zum Treffen machen die Frauen klar, daß die Frauenmorde und das Verschwindenlassen von Frauen ungebremst weitergehen und daß sie dies als Folge des kapitalistischen und patriarchalen Systems sehen, dem man eine starke Organisierung entgegensetzen muß.
„Wir wollen also, daß du kommst und klar deine Anklage aussprichst. Nicht damit sie ein Richter, ein Polizist oder ein Journalist hört, sondern damit dich eine andere Frau hört, mehrere Frauen, viele viele Frauen, die kämpfen. Und so, Genossin und Schwester, ist dein Schmerz nicht allein, sondern er vereint sich mit anderen Schmerzen. Und aus so vielen Schmerzen, die sich vereinen, entsteht nicht nur ein großer Schmerz, sondern auch eine Wut, die wie ein Samenkorn ist. Und wenn diese Wut aufgeht in der Organisierung, dann werden Schmerz und Wut zu Widerstand und Rebellion und wir hören auf zu warten ob uns das Unglück erwischt und wir beginnen etwas zu tun, erst um die Gewalt gegen uns zu stoppen und dann um unsere Freiheit als Frauen zu erobern.“1
Der mexikanische Kontext, in dem das Treffen stattfand und aus dem die Mehrzahl der Frauen kamen, ist gekennzeichnet durch ein enormes Ausmaß an geschlechtsspezifischer Gewalt. Nach offiziellen Angaben werden in Mexiko täglich 10 Frauen ermordet, das ist durchschnittlich alle 2 ½ Stunden ein Mord. Nur ein Drittel davon werden als Femizide eingestuft und weit über 90% der Täter bleiben straflos. Damit gehört Mexiko mit Brasilien zu den Ländern mit den meisten Frauenmorden in Lateinamerika. Gleichzeitig gibt es allerdings seit einiger Zeit starke Mobilisierungen und auch militanten Widerstand mit der Beteiligung vieler junger Frauen.
An diesem zweiten Frauentreffen haben ungefähr 4000 Frauen aus 49 Ländern und allen Kontinenten teilgenommen. Im Vorfeld war klar, daß keine Männer Zutritt haben, auch nicht - wie noch beim ersten Treffen - als Helfer für die Küche, Kinderbetreuung, Technik, Fahrer oder Sicherheit. Mitangereiste Männer mußten im 2 Kilometer entfernten Caracol verbleiben und das auch nur, wenn eine Frau die Verantwortung für sie übernommen hatte. Vom caracol aus haben dann die Zapatistinnen den Transport übernommen und vor Ort war alles in Frauenhand. Die Sicherheit für die anwesenden Frauen wurde von den Milizionärinnen (milicianas: sie bilden einen Teil der militärischen Struktur, werden aber nur im Bedarfsfall mobilisiert) organisiert. Eindrucksvoll haben die zapatistischen Frauen alles organisiert: An- und Abreise, Essen, Trinken, Schlafen, Abfall, Duschen, Toiletten, Gesundheit, Technik und Sicherheit.
Der erste Tag wurde eröffnet mit einer Rede der Kommandantin Amada.2 Einige wichtige Punkte, die die zapatistischen Frauen benannt haben, möchte ich daraus erwähnen:
- Aktuell besteht die größte Gefahr weltweit darin, Frau zu sein.
- Für die zapatistischen Frauen reicht es nicht, gegen Machismus und Patriarchat zu kämpfen, genauso muß auch gegen das kapitalistische System gekämpft werden. Denn beides geht Hand in Hand.
- Die Frauenrechte werden wir von niemandem geschenkt bekommen, weder von den Männern, egal ob sie gut oder schlecht sind und ebenso wenig vom kapitalistischen System. Alle unsere Rechte müssen wir uns erkämpfen, jederzeit und überall.
- Wir müssen uns unterstützen, uns schützen, uns verteidigen und am besten geht das wenn wir uns organisieren.
- Vielfalt ist keine Bedrohung, sondern eine Stärke.
Der Aufruf zur Organisierung geht bei den Zapatisten dabei eigentlich niemals einher mit einem konkreten Vorschlag wie das jeweils zu tun sei und so war auch für das Treffen nur sehr wenig konkreter Rahmen abgesteckt.
Der erste Tag bot Raum für die Anklagen, die Berichte, das Offenlegen der verschiedenen Formen der Gewalt. Es gab ein offenes Mikrofon und jede konnte das Wort ergreifen. Mütter ermordeter und verschwundener Frauen, Organisationen der indigenen Frauen, Frauen aus der Landbewegung, Frauen aus dem Widerstand gegen neoliberale Großprojekte, ehemalige politische Gefangene, einzelne Frauen mit Gewalterfahrungen in der Familie, Schule, Uni oder Arbeitsplatz und viele viele mehr. Für viele Frauen war es das erste Mal, daß sie über ihre Erfahrungen öffentlich sprachen, daß ihnen geglaubt wurde und sie Solidarität erlebten. So viel Schmerz, aber auch so viel Wut und langer Atem im Widerstand und auf jeden Fall eine unendliche Solidarität der zuhörenden Frauen. Und immer wieder der gemeinsame Ruf „Du bist nicht allein!“ „Du hast keine Schuld!“
Die Anklagen, die eigentlich für den ersten Tag geplant waren, haben sich letztlich über die drei Tage erstreckt und wurden parallel zu den übrigen Aktivitäten fortgeführt.
Am zweiten Tag ging es um Wege gegen die Gewalt, hier fanden sich mit einigen Schwierigkeiten Arbeitsgruppen zusammen zu verschiedenen Themen: Frauen mit Behinderung, Abtreibung, Gesundheit, LGBTTI, Bildung, verschiedene Formen der Kämpfe und vieles mehr. Viele dieser Diskussionen sind über den Austausch nicht hinausgekommen und die Einschätzung daraus war u.a., daß unsere organisatorischen Strukturen und Möglichkeiten aktuell nicht ausreichend sind, um dem Ausmaß an Gewalt gegen Frauen zu begegnen.
Der 3. Tag war der Kultur und dem Ausdruck der Stärke und Vielfalt gewidmet mit Musik, Tanz, Theater, Workshops, Selbstverteidigung.
Am Abend dann die Schlussworte der zapatistischen Frauen.3 Darin wurden 3 grundlegende Vereinbarungen vorgestellt und von den anwesenden Frauen akzeptiert:
„1. Dass wir alle Vorschläge machen und Vorschläge kennenlernen, zum Thema der Gewalt gegen Frauen. Vorschläge um die Gewalt gegen Frauen zu stoppen.
2. Wenn irgendeine Frau in irgendeinem Teil der Welt, egal welchen Alters, welcher Hautfarbe auch immer, um Hilfe bittet, weil sie gewaltsam angegriffen wird, antworten wir auf ihren Ruf und suchen die Art und Weise ihr zu helfen, sie zu beschützen und zu verteidigen.
3. Dass jede Gruppe, Kollektiv und Organisation von Frauen die kämpfen, die sich für gemeinsame Aktionen koordinieren möchten, Wege der Kommunikation austauschen, sei es per Telefon oder Internet oder wie auch immer.
Wir schlagen vor, dass diese gemeinsame Aktion der Frauen, die auf der ganzen Welt kämpfen, am kommenden 8. März 2020 sein soll.
Wir schlagen vor, dass an diesem Tag jede Organisation, Gruppe oder Kollektiv, macht, was sie für das Beste halten.
Und dass wir alle die Farbe oder das Zeichen tragen, welches uns identifiziert, je nach der jeweiligen Idee und Art und Weise.
Aber laßt uns alle eine schwarze Schleife tragen, als Zeichen des Schmerzes und Leids über all die verschwundenen und ermordeten Frauen weltweit.
Um ihnen so zu sagen, in allen Sprachen, allen Geografien und allen Kalendern:
Dass sie nicht alleine sind.
Dass sie uns fehlen.
Dass wir sie vermissen.
Dass wir sie nicht vergessen.
Dass wir sie brauchen.
Weil wir Frauen sind, die kämpfen.
Und wir uns nicht verkaufen, nicht ergeben und nicht aufgeben.“
Das ist der weltweite Aufruf für Aktionen am 8. März. Und am 1. März 2020 haben die zapatistischen Frauen der EZLN ebenfalls verkündet, daß sie sich dem Nationalen Frauenstreik in Mexiko am 9. März 2020 anschließen.4
به فارسی:
گزارشی از «دومین همایش بینالمللی زنانی که پیکار میکنند»
http://peykar.org/zapatists/1124--l-r-.html
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1 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2019/09/19/convocatoria-al-segundo-encuentro-internacional-de-mujeres-que-luchan/
2 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2019/12/27/palabras-de-las-mujeres-zapatistas-en-la-inauguracion-del-segundo-encuentro-internacional-de-mujeres-que-luchan/
3 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2019/12/31/palabras-de-las-mujeres-zapatistas-en-la-clausura-del-segundo-encuentro-internacional-de-mujeres-que-luchan/
4 http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2020/03/01/no-necesitamos-permiso-para-luchar-por-la-vida-las-mujeres-zapatistas-se-unen-al-paro-nacional-del-9-de-marzo/